Workshop am 5. Oktober 2012 in 59904 Bestwig Nuttlar

Der Herbstworkshop 2012 zum Nachlesen (Fotos folgen)

Diesmal hat es uns ins schöne Sauerland, genauer nach Bestwig-Nuttlar verschlagen, denn Stephie und ihre Schüler hatten zum diesjährigen Herbstworkshop eingeladen. Viel Gegend gibt’s da, aber auch eine am Berg gelegene Anlage mit Koppeln drum rum, mit toller Aussicht, die so manch einen vor Neid erblassen lässt (Glück für uns, denn Regen und Sturm waren voraus gesagt): hell, offen, luftig und (pferde)freundlich, die Boxen direkt an der Reitbahn und man hat alles im Blick.

Die Verpflegung war dank Unterstützung von allen Seiten großartig (Corinna, ich träume jetzt noch von den Blätterteig-Spiralen) und auch heißer Tee und Kaffee, um sich bei dem Schietwetter warmzuhalten, fehlten nicht.

Die Agenda für den Tag:

  1. Anja mit Floris
  2. Corinna mit Finalto
  3. Dani mit Spirit
  4. Sybille mit Floris
  5. Stephie mit Mangas
  6. Scarlett mit Finalto

Zwischendurch: Fragen, erzählen, verstehen – und hoffentlich auch Erkenntnisse mit nach Hause nehmenJ

Zunächst einmal hat Susanne sich und ihre Arbeitsphilosophie vorgestellt,  (Interessierte können sich darüber ausführlich auf den Seiten des Arbeitskreises informieren). Dann ging es mit dem ersten Team los: Anja und ihr 7-jähriger Brabanter-Wallach Floris. Floris ein wahrhafter Riese und für ein Reitpferd ein eher untypischer Anblick. Anja hat ihn 3-jährig gekauft und nimmt seit 3 Jahren mehr oder weniger regelmäßig Unterricht bei Stephie. Floris war von Anfang an kein einfaches Pferd, sowohl vom Exterieur, als auch vom Interieur her. Daher war und ist es umso wichtiger, dass er Respekt vor dem Menschen erlernt und seine Motivation zur Mitarbeit gefördert wird, und er nicht einfach da hinläuft, wo ihm gerade der Sinn nach steht. Wer möchte schon etwa 1 t Gewicht auf seinen Füßen oder auf den Zügeln haben? Die Légèrté ist für so ein Pferd natürlich besonders wertvoll, um ihn innerhalb seiner Möglichkeiten zu gymnastizieren und zu fordern.

Floris hp

Dass sich die Mühe lohnt konnte man bei der Arbeit der beiden schön sehen. Die beiden zeigten den anderen Teilnehmern zunächst einmal die Arbeit an der Hand, beginnend mit der der Kieferflexion, der Grundlage für ein lockeres, entspanntes Pferd. Susanne erklärte, worauf es bei dem, Handgriff‘ zur Mobilisierung des Kiefers und (denn da hängt ja noch der Rest vom Pferdekörper dran) der Reaktion des Pferdes darauf ankommt. Manche Pferde täuschen das Nachgeben nämlich nur an, Maul auf, Maul zu oder eine Kaubewegung und das war’s oder sie kauen übertrieben oder gehen rückwärts. Das Becken hingegen gibt zu erkennen, inwieweit man das Pferd wirklich gelockert hat; eine erfolgreiche Mobilisierung führt zu einem Abkippen des Beckens auf der Seite, auf der eine Stellung und Flexion verlangt wird. Das zu erkennen war für so manchen zunächst gar nicht so einfach, aber zum Glück standen neben Floris auch noch andere Pferde zur Anschauung zur Verfügung und Susanne wurde des Zeigens nicht müde, sodass im weiteren Verlauf alle das Abkippen sehen konnten.

Bei der weiteren Handarbeit zeigte uns Floris seinen ausladenden, aber entspannten Schritt, bei dem Anja schön nebenher gehen konnte. Er ließ sich brav auf beiden Händen leicht nach innen stellen und ein Ohr zeigte immer Richtung Besitzerin. Beim Übertreten kreuzten sich seine Hinterbeine erstaunlich weit. Gelöst ging es dann ans Reiten und spätestens bei den Schritt-Trab-Übergängen wurde den Zuschauern klar, was da für ein Koloss in Bewegung war, denn nach 4-5 Trabtritten war der Zirkel schon halb durchritten. Floris blieb bei allem kooperativ und entspannt, die Genickbeugung fiel ihm verständlicherweise etwas schwer, genauso die Innenstellung im Trab. Doch seine Balance war schon gut zu erkennen. Zwischendurch gab es natürlich immer wieder Lob und Pausen.

Lob und Pausen waren für das nächste Paar noch entscheidender, denn bei Corinna und ihrem über 20 Jahre altem Isländer-Mix Finalto lief in letzter einiges schief. Finalto hat eine unangenehme Vorgeschichte und wenn er sich überfordert fühlt, geht er durch oder steigt. Corinne war extra aus Verden angereist, um eine Woche Unterricht bei Stephie zu nehmen, da sie allein mit Finalto nicht mehr weiter kam. So nahm sie dann auch am Workshop teil. Als sie ankam wollte Finalto nicht stehen bleiben, an Entspannung war gar nicht zu denken. Doch in den wenigen Tagen vor dem Workshop machten die beiden mit Stephies Hilfe große Fortschritte, und so blieb Finalto am Tag des Workshops bei der Handarbeit dann auch relativ entspannt, auch wenn er manchmal schon kritisch geschaut hat und beim Halten gern mal ein paar Tritte rückwärtsging, wenn er zu unruhig wurde. Außerdem konnte Corinna den Außenzügel nur sporadisch über den Hals legen, da Finalto sich dabei nach wenigen Schritten immer sofort verspannt hat und sich entziehen wollte. Er kaute zwar viel, aber im Rücken gab er nur schwer nach. Nach der Handarbeit, bei der er sich zunehmend entspannt hatte, stieg Corinna auf, woraufhin Finalto augenblicklich seinen Rücken komplett wegdrückte und Kopf und Hals deutlich nach oben nahm und alles an seiner Haltung (negative) Anspannung und Unwohlsein ausstrahlte. Dies aber hatte nicht zuletzt auch etwas mit Corinnas eigener Anspannung und ihrem dadurch etwas verkrampften Sitz zu tun; die beiden bestätigten sich in ihrer Haltung also gegenseitig. Mithilfe von Susanne konnte sie jedoch beide immer mehr ablegen. Die Pausen halfen Pferd und Reiter aus ihrem ,Teufelskreis‘ herauszufinden und beide wurden zusehends lockerer. Zum Abschluss konnte Corinna sogar seit langem das erste Mal wieder antraben, ohne dass Finalto seine entspannte Haltung komplett aufgab, was wirklich schön anzusehen war. Wer wollte konnte dann selbst ran und Ricarda nahm das Angebot ohne zu zögern an. Sie interessiert sich schon länger für die Légértè und hatte nun die Möglichkeit, an Finalto die Wirkung dieser Arbeitsweise selbst zu erfühlen.

Finalto hp

Finalto5 hp

Finalto4 hp

Nach einer kurzen Pause war dann Dani mit Spirit, einem 18 jährigen  Deutschen Reitpony an der Reihe. Sowohl Pferd und Mensch hatten im Voraus noch keine praktischen Erfahrungen mit der Handarbeit auf Basis der Kieferflexion gemacht. Also begann Susanne in ihren Ausführungen noch einmal bei den Grundlagen der einzelnen Handgriffe und der Körpersprache des Pferdes, oder hier des Ponys. Der Anfang war dann auch gar nicht so leicht, da Spirit zunächst ein leicht stures Verhalten an den Tag legte und zu Beginn nicht besonders sensibel auf das Gebiss reagierte. Da das Pony ja noch nicht wusste, was es erwarten sollte, legte Susanne erst mal selber Hand an, um zu sehen wie kooperativ er ist. Spirit Begriff schnell und kaute schon bald zufrieden. Nun durfte Dani an die Trense und nach einigen Anfangsschwierigkeiten konnte auch sie erfolgreich die Flexion auslösen. Dann ging es im Schritt weiter, und das Stellen geradeaus oder etwas nach innen verbunden mit der Flexion, während man gleichzeitig noch auf seine Füße achten muss, ist am Anfang schon eine Aufgabe. Wenn Spirit sich allzu sehr gegen den Zügel sperrte, ging es nochmal ins Halten und Susanne hat falls nötig nochmal selbst korrigiert. Dann war sogar schon ein Übertreten möglich. Alles in allem war Dani sichtlich angetan von dem ausgeglichenen Temperament von  Spirit und der Zusammenarbeit mit ihm, sowie der ersten Erfahrung mit der Mobilisierung über den Kiefer.

Spirit hp

Spirit1 hp

Im Anschluss kamen dann Sybille und Floris an die Reihe. Sybille freute sich schon, mal ein anderes Pferd als ihre Candy zu (er)fühlen, mit der sie selbst nach vielen Jahren branchenüblicher Dressur, seit einiger Zeit nach der Légèrté arbeitet, zumal ihre Stute früher ebenfalls ihre Kraft einsetzte, wenn sie sich nicht anders zu helfen wusste. Floris ist eine Nummer größer als Candy und der Respekt von Sybille war dementsprechend groß. Umso schöner war für sie das Gefühl, wie brav er die Flexion anbot und wie fein er sich dirigieren ließ. Nach einigen Runden ließ Sybilles leichte Nervosität nach und Pferd und Mensch waren hoch konzentriert und gaben ein harmonisches Paar ab. Da es so gut mit den beiden klappte, bat Susanne Sybille Floris übertreten zu lassen, was nach wenigen Versuchen, bestätigt durch perfekt getimte Pausen, wunderbar gelang. Floris hätte dabei so manchem Dressurpferd Konkurrenz machen können, so ruhig, ausgreifend und vor allem ausbalanciert zeigte er das Seitwärts im Schritt. Bei den beiden wurde besonders deutlich, warum gezielte Pausen so wichtig für ein erfolgreiches Training sind. Schön.

Sybille hp

Sybille 1 hp

Schön war auch das nächste Paar anzusehen – Stephie herself mit ihrem 15-jährigen Araber und Ex-Westernpferd Mangas. Tja, was kann man zu den beiden erzählen? Stephie ist in Sachen Légèrté ja schon ein alter Hase und bildet sowohl Pferde& Ponys als auch Reiter aus. Über Mangas Werdegang kann man sich unter der Rubrik ,,Wer wir sind“ ausführlich informieren, aber so viel sei erwähnt: auch Mangas war, wie so viele andere Teilnehmer an Workshops und Mitgliederpferde im Arbeitskreis, vor seiner Ausbildung nach der Légèrté ein Problempferd, kaum reitbar und im Umgang teils unberechenbar. Natürlich ist es kaum möglich ein jahrelang etabliertes Problem in ein paar Tagen, Monaten oder auch einem Jahr komplett aus dem Pferd zu bekommen. Aber wie auch bei Mangas bekommt man sehr viel von seinem Vierbeiner zurück, wenn man konsequent dran bleibt, pferdeverständlich und freundlich aber bestimmt mit seinem Pferd arbeitet (und da fängt die Arbeit meist bei einem selbst an). Die Rückfälle/-schritte werden seltener und weniger schlimm, und man hat mit Susanne oder Stephie zwei allzeit bereite Berater an der Hand, falls man selbst mal (wieder;)) nicht mehr weiter weiß. Mangas zeigte uns an diesem Tag, warum wir denn eigentlich die ganze Arbeit auf uns nehmen, bis ins Sauerland zu Workshops fahren und mit Pferden arbeiten, die andere Leute einfach verkaufen oder auf die Wiese stellen würden.

Auch Stephie löste Mangas zunächst an der Hand mittels Flexion, Stellung und Seitengängen. Sogar Schulterherein und Kruppeherein zeigte Mangas auf kleinste Hilfen von Stephie wie selbstverständlich und blieb dabei gelassen und locker. Da man von den feinen Signalen kaum etwas sehen konnte, und man ja die Hilfen nur dann gibt, wenn das Pferd die gewünschte Haltung verlässt, hieß es doch mal genauer nachgefragt: wie hatte sie das jetzt genau gemacht? So ganz ohne Schenkel? Wie, nur eine Zügelhilfe und an die Schulter getippt? Körpersprache? Kann ja gar nicht sein, die hat doch getrickst! Nein, hat sie nicht, sie ist mit Mangas einfach auf einem Niveau, da kann so‘n Anfänger wie ich mal das Ende der Fahnenstange von unten betrachten, und mir mein Ziel in weiter Ferne zu Gemüte führen. Man konnte also schon bei der Handarbeit viel für den eigenen Wunschzettel mit nach Hause nehmen, aber der wurde dann nochmal länger, als Stephie in den Sattel stieg. Im Schritt ging es los: Schulterherein, Kruppeherein, rechte Hand, linke Hand in Versammlung und liebe Freunde, nicht nur ein paar Tritte mit ewig langer Vorbereitung, Geziehe und Gezergel, nein – die ganze lange Seite, ab dem ersten Schritt bis zum letzten, so präzise, dass man an die Hufspuren im Sand teilweise ein Lineal (wenn auch ein sehr großes) hätte legen können. Dabei gab Stephie wieder Hilfen, die dem ungeübten Auge schnell entgehen, zumal sie auch hier wieder nur punktuell einwirken musste und sonst zwar konzentriert aber entspannt im Sattel Platz nahm. Zu bestaunen war auch das schon oft in der Theorie verinnerlichte, aber in der Praxis gern schwer umzusetzende Dirigieren der Schulter durch Anlegen der Zügel. Das alles für sich wäre ja schon toll gewesen, aber die beiden zeigten dasselbe anschließend noch im Trab. Dabei lief Mangas schön versammelt im Takt und Stephie sah eher nach einer Beifahrerin aus. Nur Mangas‘ Ohren verrieten wie hochkonzentriert er auf kleinste Signale seiner Reiterin wartete. Wie eselig Mangas natürlicher Gang aussieht, zeigte er zum Abschluss am hingegebenen Zügel: Hals vor, Kopf tief, Genick weit auf, Beine hinten rausschieben und ab geht’s. Kaum zu glauben, dass er sich kurz vorher noch vollkommen versammelt durch die Bahn bewegt hat!

Auch hier dürfen Freiwillige mal ran und mit Mangas eine Runde durch die Halle gehen, wobei klar wird, dass was bei Stephie so einfach aussieht, gar nicht leicht ist.

Als letzte war dann ich (Scarlett) an der Reihe. Ich hab mir von Corinna Finalto für die Handarbeit ausgeliehen. Er war mir gleich sympathisch, so klein und zart wie er aussah. Ein ganz schönes Kontrastprogramm für mich, denn normalerweise arbeite ich mit einer 6-jährigen Norikerstute namens Luna. Seit Juni dieses Jahres bin ich ihre Reitbeteiligung und nehme auch erst seitdem Unterricht bei Susanne, ich bin also noch Anfängerin in Sachen Légèrté. Durch die Arbeit mit Luna bin ich viel ausgeglichener geworden, sowohl vom Boden aus als auch beim Reiten. Das wollte ich nun gern mal an Finalto überprüfen, der ja wie schon zuvor erwähnt, sehr spannig ist und nur schwer loslässt und sich entspannt. Nach ein paar Streicheleinheiten zum anfreunden, nahm ich vorsichtig Kontakt zu den Zügeln auf. Finalto kaute sofort und unablässig, seine Ohren und sein Blick verrieten seine Skepsis, und so hielt ich erst mal nur ganz leichten Kontakt. Dann bat ich mit der inneren Hand ganz leicht um eine Flexion, die er auch sofort hergab. Beim losgehen im Schritt lief er zügig an mir vorbei, also blieb ich direkt wieder stehen und wartete darauf, dass auch eher stehen blieb und auf mich achtete. Dann wieder beide Zügel in die Hand genommen, Flexion innen und wieder los im Schritt und siehe da es klappte schon viel besser.

Wir gingen einige Runden und er versuchte noch ein paar Mal an mir vorbeizuziehen, woraufhin ich sofort stehen blieb und eine kurze Pause einlegte. Er begriff schnell, blieb bei mir und entspannte sich zusehends. Er ließ sich immer mehr fallen, und streckte sich vorwärts abwärts. Als er locker genug war (Pausen, Pausen, Pausen), bot er von sich aus die Genickbeugung an und nahm Haltung an. Er hatte die Tendenz sich im Genick zu verwerfen, und ich brauchte schon sehr viel Gefühl und natürlich Hilfe von Susanne um das richtige Maß an Kontakt mit dem Außenzügel zu finden, da ihm der gar nicht gefiel. So hab ich nach einem Versuch den äußeren Zügel über den Hals zu legen auch gleich damit aufgehört, weil er sich dabei sofort wieder verspannte. Dafür bot er dann, als ich auf Anraten von Susanne nur den inneren Zügel hielt, auf leichte Impulse hin das Übertreten und Ansätze zum Schulterherein an. Er war im Folgenden so brav, dass wir auch noch ein paar Schritt-Trab Übergänge machen konnten, ohne dass er dabei seine Lockerheit verloren hat. Zum Schluss hat er richtig friedlich ausgeschaut, da hätt ich ihn am liebsten mit nach Hause genommen;). Vielen Dank dafür Corinna!(und für die leckeren Blätterteigschnecken^^). Für mich war das eine sehr bereichernde Erfahrung, weil ich bei Luna eher mal stärker einwirken muss um überhaupt eine Reaktion zu bekommen, um dann die Hilfen wieder minimal zu dosieren, wohingegen Finalto erst einmal Vertrauen zum Zügel fassen musste, bevor ich überhaupt einwirken und er dann die Zügelimpulse entspannt annehmen konnte. Ich konnte also wunderbar meine Hilfengebung überprüfen und verfeinern (und erfahren wie wenig Gewicht man bei der Handarbeit in der Hand haben kann).

Alles in allem war das ein sehr schöner Workshop mit netten Teilnehmern, auf dem jedermann/-frau natürlich auch theoretische aber vor allem ganz viele praktische Erfahrungen sammeln konnte. Ich bin wohl nicht die einzige, die sich schon auf den nächsten Workshop freut!

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