Légèreté – Anspruch und Wirklichkeit

Geht es Ihnen auch so: Man besucht Seminare, ließt Bücher – gute und oder anspruchsvolle – nicht Beides muss zwingender Weise gegeben sein, denn die eine Kategorie Bücher hat einen lehrenden Charakter und betreibt Aufklärung, die Andere ist literarisch-künstlerisch und sich selbst genug (KUNST) – von de la Guérinière , Andrade über Baucher, N. Oliveira, Phillipp Karl, Solinski oder Jean Claude Racinet und auch Linda Tellington Jones oder Alfonso Aguilar –  und hat doch nicht den Stein der Weisen in der Tasche.

Wer hat den Stein der Weisen in der Tasche, wer hat ihn erfunden, wer hat ein Patent auf den Stein der Weisen? Gibt es überhaupt einen Stein der Weisen?

Es ist eine HYBRIS zu glauben, alle Weisheiten in den Händen zu halten.

M.E. sind dies die falschen Fragen, die ich mir als „passionierte Hobbyreiterin mit einem mittelmäßigen Gebrauchsverständnis“ (pHGV) stelle.

Selbst wenn Baucher einer der herausragendsten und einzigartigsten  Wissenschaftler und Reiter war, so hat er die wichtigen Fragen in seiner Zeit, für seine Situation (Reiter ohne Beingebrauch) im Rahmen seiner Möglichkeiten gestellt, analysiert, ständig kritisch hinterfragt und sich somit auch weiterentwickelt. Das Gleiche gilt sicherlich für alle anderen auch, wie z.B. Guérinière oder Racinet. Menschen, die Ihr ganzes  Leben dieser empirischen Wissenschaft gewidmet haben. Das, was diese Männer erkannt haben, ist einen Weg hin zur Kunst bis zu ihrer Vollendung zu beschreiten.

Was für ein großes Glück, dass es diese Menschen gegeben hat und sie uns an Ihren Erkenntnissen teilhaben ließen.

Für mich  als pHGV werden diese Welten unerreichbar bleiben, vielleicht ist teilweise ein Verstehen, teilweise ein Erfühlen von Bruchstücken dessen möglich, was diese Menschen erkannt haben. Das macht mich nachdenklich und bescheiden, motiviert mich immer wieder, mehr zu Fragen und offen, aber mit beiden Beinen fest auf dem Boden zu bleiben.

Soweit so gut, aber letzten Endes liegt es an mir als pHGV, einen Weg zu finden, eine Sprache zu erlernen, die mein Pferd verstehen und die ich vor allen Dingen anwenden und übersetzen kann und es ist meine Aufgabe, mir die richtigen Fragen auf meine Möglichkeiten, Talente oder auch mein Unvermögen zu stellen. Hier sollte ich kritisch mit mir selbst sein und für mich klären: Was habe ich gelesen, was habe ich davon verstanden und was kann ich in letzter Konsequenz auch erfühlen und tatsächlich umsetzen und das in dem Maße, wie es für mein Pferd erforderlich ist, denn wir kommunizieren mit sensiblen, nach klaren Verhaltensmechanismen agierenden Wesen und arbeiten nicht mit Maschinen, die nach standardisierten Prozessen funktionieren. Und zwischen Theorie/Wissenschaft und praktischer Umsetzung/Gefühl können durchaus auch hunderte von Kilometern oder auch mal Welten liegen.

Als pHGV  – und ich spreche hier für mich – steht das Zweitere im Vordergrund, nämlich Umsetzung/Gefühl. Mal schauen, wie weit ich komme, ob bis zu km 100, vielleicht weiter, wahrscheinlich  geradeaus oder an der nächsten Kreuzung rechts abbiegend. Das Ergebnis wird für die Richtigkeit der Wahl meines Weges sprechen.

Und wirklich wichtig wird sein, dass dieser Weg mit viel Offenheit, Lernbereitschaft, Gefühl und immer zum Wohle des Pferdes beschritten wird.

An dieser Stelle möchte ich Bent Branderup zitieren:

„Die Ausbildung eines Pferdes besteht darin, dass der Mensch zur Natur des Pferdes vordringt und eine Kommunikation mit dem Pferd erlernt, mit dessen Hilfe er das Pferd darum bittet, das zu tun, wozu es von Natur aus fähig ist.“

Liebe Grüße

Ina