Ina und Jamiro

13. Oktober 2006 - wir beginnen
13. Oktober 2006 – wir beginnen

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2010: Neues bedeutet immer eine Chance  – Jamiro und ich sind offen für ein neues zu Hause. Wer aus dem Raum Velbert, Hattingen – Umkreis 20 km – kann sich vorstellen, mit uns zusammen zu „hausen“ – Privater oder Gewerblicher Stall, hauptsache nett? Infos an longmountain@t-online.de.

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September 2006

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Jamiro ist als fünfjähriger Wallach im September 2006 von Spanien nach Sprockhövel umgezogen, wo ich ihn kennen gelernt habe und es „Liebe auf den ersten Blick war“: Ich sah dieses Pferd, mein Bauch sagte Ja und mein Kopf wurde ausgeschaltet. Ein wunderschönes, lebendiges und ideenreiches Wesen, offen, neugierig und interessiert, aber auch wild, unerzogen und mit einer schwierigen Vergangenheit, die ihn immer wieder einholt: eine brisante Mischung aus temperamentvoll und neugierig, sensibel, leicht reizbar, zeitweise aggressiv und zu Panikattacken neigend.

Seine Vergangenheit kurz dargestellt: Jamiro, in Spanien „Rambo“ genannt, stand bis zu seinem zweiten Lebensjahr mit seiner Mutter zusammen in einer Box. Nachdem seine Mutter verkauft wurde, hatte er keine Sozialkontakte zu anderen Artgenossen und lt. Erzählungen ausschließlich Kontakt zu Menschen. Eine Ausbildung hat er bis dato nicht genossen, sondern wurde sehr unregelmäßig ausgeritten und ansonsten im Roundpen laufen gelassen. Respekt und Gehorsam waren ihm ebenso fremd wie pferdetypische Körpersprache bzw. Herdenverhalten. Mit seinem Kumpel Mensch hatte er bis dato mehr „gespielt“, bis auch dies aufgrund seiner Wildheit, Kraft und Masse zu gefährlich wurde. Seine Aufzucht und Haltung wurde mir als eher suboptimal beschrieben.

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Oktober 2006 – Ausbildungsbeginn

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Wir arbeiten ausschließlich mit der Serreta an der Hand mit viel Geduld und Ruhe und unter der besten Anleitung überhaupt, nämlich unter Susannes Anleitung, nett und fortschrittlich zusammen.

Wir haben an der Hand mit Gehorsamsübungen zur Klärung der Führposition, Wahrung der Distanz, gemeinsamer Abstimmung und unter Einhaltung vieler Entspannungspausen begonnen – pro Trainingseinheit zwischen 20 – 30 min, je nach Tagesverfassung und Notwendigkeit. Nachdem wir diese „Baustelle“ abgearbeitet hatten, gingen wir zum Longieren über; ein junges Pferd braucht auch Bewegung und Abwechslung!

Wir wechselten dann zur Handarbeit mit Zaum und Kandare. Die Zügelführung erfolgte ausschließlich über die Serreta, um im Maul keinen zusätzlichen Stress zu erzeugen. Und weil er da so gut und entspannt mitmachte, haben wir die Zügel nach einer Woche umgeschnallt. Eine leichte bzw. weiche Hand nimmt er gerne an und zeigt keine Anzeichen von Aufregung oder Stress. Das Prinzip: die Zeit nehmen, die notwendig ist, kleine Schritte und viel loben und Pausen einräumen. Er lernt gut und schnell und zeigt sichtlich Interesse an der gemeinsamen Arbeit und an neuen Aufgaben. Darüber hinaus zeichnet ihn sein freundliches, menschenbezogenes und sensibles Wesen aus. Die gemeinsame Ausbildung erfüllt mich mit viel Freude und Stolz.

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Ein großer Dank gilt an dieser Stelle unserer Ausbilderin, Susanne Klipstein. Ohne sie wäre diese Entwicklung in der Zeit und Form nicht möglich gewesen wäre!

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Die Welt dreht sich, der Mensch bewegt sich in Träumen, Wünschen und Sehnsüchten, die ihn auf dem Pfad des eigenen Schicksals begleiten… Eine Form der Légèreté als (Lebens)-Philosophie?

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Dezember 2006

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Wir haben nun die ersten 3 Monate intensiver gemeinsamer Zusammenarbeit hinter uns. Zeit für eine kurze Rückschau und Zusammenfassung:

Unsere Trainingsstunde hat einen festen Ablauf (1.Führstrick, 2.Handarbeit am Zügel, 3.Arbeit im Sattel),  wobei die einzelnen Inhalte  bzw. Lektionen durchaus flexibel abgefragt werden und variieren.

Am Führstrick geht es auf dem Zirkel 2-3  Runden im Schritt und Trab an der Hand mit dem Ziel: Auflockern, Entspannen und die Tagesform feststellen: Was ist heute möglich? Zwischendurch machen wir unsere Wendungen – ich nenn das kurz „Kehrts“-, denn das motiviert ihn, macht ihm Spaß und lässt Jamiro konzentriert mitarbeiten. Mittlerweile brauche ich beinahe nur daran zu denken und die Körperstellung einzunehmen (etwas von ihm weg mit einer Rückwärtstendenz). Den Rest macht er schon von allein. Wir haben hier insgesamt eine gute Abstimmung erzielt.

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Mit der  Handarbeit am Zügel verbessern wir die Abstimmung über das Gebiss für das  spätere Reiten im Sattel. Hier räumen wir Pausen zur Entspannung und zur Abfrage nach der Lockerung des Unterkiefers (Baucher) ein.

Die Arbeit unterm Sattel soll Jamiro zunächst eines verständlich machen: Es gibt keinen Stress, es wird nicht an den Zügel gezogen und die Beine klemmen auch nicht! Wir fordern Loslassen, Strecken und Biegung/Dehnung. Es geht weiter auf der linken und rechten Hand an der Longe zunächst im Schritt:

Ziel ist, ihm einen anderen Weg aufzuzeigen, nämlich den im Schritt und Trab mit leichter Innenstellung /-biegung über den aufgewölbten Rücken entspannt vorwärts zu schreiten. Damit das Ganze sicher und kontrolliert abläuft, behält uns Susanne an der Longe. Ich kann mich auf ihn und einen entspannten Sitz konzentrieren und Susanne gibt die Sicherheit vom Boden aus. Das klappt sehr gut.

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Ein großer Dank gilt unserer Ausbilderin Susanne Klipstein: „Ohne Dich wäre dies nicht möglich gewesen!“

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März 2007

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Nach nunmehr 6 Monaten intensiven Trainings geht für mich ein kleiner Traum in Erfüllung: Jamiro hat sich von einem aggressiven, schreckhaften und unsichern Pferd zu einem ehrlichen, zuverlässigen und selbstbewussten Trainingspartner entwickelt – vom „Rambo“ zum Reitpferd! Sein Temperament und seine Sensibilität habe ich während der Arbeit zu schätzen gelernt.

Mit einer soliden Grundausbildung, sowohl an der Hand als auch unterm Sattel, haben wir innerhalb von 6 Monaten eine insgesamt gute Abstimmung erzielt.

Ich habe mir während der gesamten Zeit nie die Frage gestellt, ob und in welcher Zeit eine Korrektur möglich sein könnte. Aber die Kombination aus weitaus unerfahrener Reiterin und nicht ausgebildeten Pferdes mit einer schwierigen Vergangenheit sind nicht gerade optimale Bedingungen für eine gemeinsame Arbeit. Dank Susannes Unterstützung in Wort und Tat meisterten wir diese Herausforderung.

Hier war gute Teamarbeit gefragt und wir (Jamiro, Susanne und ich) ließen uns viel Zeit und arbeiteten in kleinen Schritten, damit gegenseitiges Vertrauen wachsen und eine gemeinsame Basis entstehen konnte. Jamiro lernte schnell, machte gute Fortschritte und die wenigen Rückschläge  – so lehr- und hilfreich sie auch sein mochten- spornten uns nur noch mehr an. Anfang April hat uns Susanne dann von der Longe abgekoppelt -Leinen los!

Erwähnen möchte ich noch, dass uns zwischenzeitlich Jamiros ehemalige Besitzerin I. aus Spanien besuchte – eine sehr sympathische und aufgeschlossene Person, die ihn auch aus der Not heraus übernommen hatte. Sie konnte kaum glauben, dass es sich hierbei um das gleiche Pferd handelte, das sie aus Spanien kannte. Leider waren ihr seinerzeit nicht mehr die Möglichkeiten bzw. Rahmenbedingungen für eine optimale Betreuung und Ausbildung gegeben und sie verkaufte ihn nach Deutschland in bekannte Hände. Die Dritte im Bunde hielt ihn für die Westernausbildung nicht geeignet und bot ihn zum Verkauf an. Der Rest ist bekannt, ich übernahm ihn.

Jamiros derzeitiger Ausbildungsstand lässt sich so zusammenfassen:

Solide Grundausbildung an der Hand und unterm Sattel in den GGA Schritt und Trab, Seitengänge (Schulterherein, Travers, Renvers) an der Hand, Fortschritte in den Seitengängen im Schritt und Ansätze im Trab, Alternativprogramm Spaziergänge im Wald

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Januar 2008

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Es ist mal wieder mal Zeit, zu berichten: Seit April 2007 ist viel passiert, wir haben Höhen und Tiefen durchlaufen und vor allen Dingen haben wir viel gelernt und auch viel erreicht.

Für mich ist es eine Gradwanderung, diesen Bericht zu schreiben und zu veröffentlichen. Aber so wie mein Pferd den Mut aufgebracht hat, sich zu öffnen und mir anzuvertrauen, fühle ich mich in der Pflicht, dem gerecht zu werden und über meine diese Erfahrungen zu berichten:

Ab April/Mai 2007 hatten wir zunächst keine gute Zeit: Aufgrund schwieriger Rahmenbedingungen in der Offenstallhaltung hatte ich kaum Möglichkeiten, Jamiros Futterbedarf individuell zu regulieren. Jamiro war sehr dünn, nervös und stand durch den Druck der kleinen Herde permanent unter Stress. Dazu kamen dann noch physische Beschwerden (Blockaden im Lenden-/Kreuzdambeinbereich), so dass ich eine Ostheopatin einschaltete.

Wir zogen schließlich um, hatten aber auch am neuen Stall wieder mit neuen Haltungsproblemen zu kämpfen. Die Fütterung konnte ich zwar individuell festlegen und bestimmen, aber Jamiro fehlte ein guter Herdenverband. Er stand mit einer Stute und einem 28 –  jährigen Wallach zusammen. Jamiro langweilte sich fürchterlich und ich hatte als einzige Unterhalterin im Training mächtig zu tun.  Jamiro stellte zwischenzeitlich jeglichen Respekt in Frage und versuchte seine Dominanzspiele mit mir im Viereck auszutragen, was mich viel Kraft und Nerven kostete. Wir hatten hier auch immer mal wieder schöne Stunden, gute Trainingseinheiten. Susanne unterstützte mich in der Zeit mental und baute mich immer wieder auf: Wichtig sei die innere Ruhe – sich nicht herausfordern zu lassen, und viel Zeit und Geduld. Und an Zeit mangelte es mir, da ich durch die viele Stallarbeit auch nicht mehr genug Zeit und Kraft für das Training hatte. Und dann kam ich an den Punkt, wo ich mich selbst als geeignete Besitzerin in Frage stellte – ein schlimmes Gefühl, Hilflosigkeit, denn die Alternative wäre ein Verkauf, in der Folge weitere viele Besitzer und letztendlich nur noch der Schlachter gewesen.

Im Nachhinein ist mir klar geworden, dass die Haltungs- und Rahmenbedingungen das A und O sind, damit sich ein Pferd wirklich pferdegerecht entwickeln kann.  Und dann sollte sich der Besitzer über seine Rolle und Funktion im Klaren sein: eine Führperson mit einem Plan und viel innerer Ruhe, Ausgeglichenheit und festem Willen.

Wir zogen im September 2007 noch einmal um. Diesmal an einen kleinen Stall mit einer gemischten Herde aus 13 Alt- und Jungtieren, 24 Std. Auslauf auf riesigen Weiden im Sommer und Bewegungs- und Fressmöglichkeiten auf einem befestigten Paddock im Winter – Fütterung individuell in den Boxen. Ich selbst hatte weniger Stallarbeit und mehr Ruhe und Zeit für das gemeinsame Training. Wir kamen hier Beide zur Ruhe. Ich hatte meine Erwartungen auf ein Minimum reduziert: Ruhe, Entspannung und Zeit.

Und langsam kamen wir an einen Wendepunkt: Jamiro nahm an Gewicht zu, wurde insgesamt ausgeglichener und nahm immer mehr Kontakt durch Schnuppern und Spielen zu den anderen Pferden auf.

Wir setzten unser Training zunächst mit solider Bodenarbeit fort, späterhin kam auch das Training im Sattel an der Longe wieder dazu. Viele kleine Fortschritte signalisierten mir, dass Jamiro einen engen Bezug zu mir aufbaute und wir eine vertrauensvolle Basis erarbeitet haben: Er lässt es zu, auch  allein von der Herde weggeführt zu werden und der Aufenthalt allein im Stall ist nun möglich.

Ich selbst kann mich inzwischen zusehends entspannen und loslassen!

Und dann, ganz unerwartet, an einem Sonntagmorgen während des Trainings ließ er los und vertraute sich mir an. Wir  arbeiteten als Einheit harmonisch zusammen und kommunizierten in Wendungen und kleinen Lektionen: der Weg zur Légèreté.

Inzwischen arbeiten wir wieder ohne Longe. Ziel ist die Stabilität in der Bewegung /Position zu erreichen  und hierbei immer wieder die Lockerung des Unterkiefers (Nachgiebigkeit) abzufragen. Jamiro bringt von Natur aus eine hohe Versammlungsbereitschaft mit, so dass im Vordergrund unserer Arbeit die Rahmenerweiterung mit entspannten, schwungvollen Bewegungen unter Einhaltung eines gleichmäßigen Taktes steht.

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Dezember 2008 – Jahresrückblick – Winterimpressionen

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Zum Ende des Jahres fragt man sich schließlich: Wo ist das Jahr geblieben, und gerade ein Reiterjahr ist in seiner imaginär gefühlten Zeit mit lediglich zwei Jahreszeiten – Frühjahr/ Sommer und Herbst/Winter – noch wesentlich kürzer. Sei es drum, auch in diesem Jahr habe ich die Légèreté gesucht und nicht nur Sie, sondern auch meine  innere Balance und Führungsfähigkeit und den Gehorsam meines Pferdes. Kommt da ein Hauch von Ironie rüber? Ja, denn mit manch kleiner und mittelgroßer Portion Gelassenheit kam ich wesentlich weiter, als  mit ungebremstem Ehrgeiz, unter Zeit- und Erfolgsdruck, wie ich leidlich erfahren musste. Aber dies hier noch weiter auseinanderzulegen würde weiß Gott den Rahmen sprengen, und dies scheint wohl für viele Bereiche des Lebens seine Gültigkeit zu haben. Jamiro hat sich zu einem kräftigen Burschen entwickelt: selbstbewusst, muskulös und stark.

Die mentale Entwicklung steht dem in nichts nach: ausbalancierter, gelassener und selbstbewusster kommt er daher, immer noch temperamentvoll, vorwitzig und verspielt – und das ist gut so, weil ich dies auch nie anders haben möchte- immerhin bin ich temperamentsmäßig in bester Gesellschaft!

Fotos sprechen Bände.

März 2007

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2008
Dezember 2008

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2008 – unsere Rahmenbedingungen, unser Entwicklungsstand

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Bedingt durch meinen Jobwechsel hatte ich ab März 2008 wenig Zeit und noch weniger Energie für das abendliche Training.

Ich arbeitete mit Jamiro zwar weniger, 3 Mal pro Woche zwischen 10- 20 min, jedoch niemals unkonzentriert oder ohne Plan. Ich sorgte mit Ersatzunterhaltung – freies Arbeiten und Longieren – weiterhin für viel Abwechslung im Viereck. Außerdem hatten wir ab dem Frühjahr 24 h Weidezeit auf riesigen Koppeln. Spätestens seit der ab Oktober anstehenden Paddockzeit, hatte Jamiro sichtlich Freude an der gemeinsamen Arbeit. Er kommt auf Zuruf, hört und reagiert fein auf Stimmsignale. Er lässt sich zu vielseitiger Arbeit begeistern, insbesondere Kopfarbeit bei Seitengängen, Vorder- oder Hinterhandwendungen oder Versammlungsarbeit motivieren ihn. Er macht aber auch klar und selbstbewusst seine Vorstellung unterhaltsamen Trainings klar. Und dann pflegen wir eine verständliche, gepflegte Streitkultur, die meist darin endet, dass er sich von mir überzeugen lässt und dafür eine Entspannungspause zum Schnauben bekommt.

Auch wenn ihn hin und wieder seine Vergangenheit einholt – die Geister, die ich rief – so ist sein Vertrauen gewachsen, so dass wir unterschiedliche Herausforderungen gemeinsam meisterten, z.B. an einem laufenden Traktor mit knapp 1,20 m Durchgangsbreite vorbei zu gehen.

Wir arbeiten inzwischen teilweise ohne Anleitung, setzen Erlerntes um, oder arbeiten mit unserer Ausbilderin, Susanne Klipstein, intensiv an der Nachgiebigkeit und dem Gehorsam – mein großes Ziel –  als unabdingbare Grundlage für die Leichtigkeit in der Reiterei. Inzwischen geht dies auch entspannt im Dunkeln. Er geht durch Ecken, die ihm bis vor einiger Zeit noch unheimlich waren und traut sich insgesamt mehr zu, z.B. mit mir an Flatterplanen vorbei zu. Das Prinzip: Ich frage, ob er kann und kommt, gebe ihm dann die Möglichkeit den ersten Schritt von sich aus zu tun. Das dauert meist nur 2-3 sec, aber dies verbucht er für sich als Erfolgserlebnis und bietet Sie an anderer Stelle dann auch mal freiwillig an.

Ich genieße die Minuten der Stille und des Alleinseins am Stall, genieße die Entspannung, die freie Zeit und Freiheit. Und Stille bedeutet, dass auch ich mich nicht mehr mitteilen muss. Jamiro findet dies sehr gut und teilt dies mit: Schnauben, Kopf sinken lassen und hin und wieder mal anschnuppern. Jede Trainingsstunde unterliegt einem Plan, einem Motto und dann variiert die Tagesform. So kamen wir in einzelnen Trainingsstunden zu unverhofften Highlights, wie z.B. das Angebot hoher Versammlungsbereitschaft im Trab an der Hand oder unterm Sattel mit dem absolut schönsten Gefühl, welches man als Reiter haben kann: Ruhig und tief ganz nah am Pferd zu sitzen und getragen zu werden, mit dem Gefühl von Nichts in den Händen -unbeschreiblich!

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Meine Erkenntnisse, Beobachtungen und Werte für das Reiterjahr 2009:

1.)  Als Reiter sollte man ein Ziel haben und einen klaren Weg, der mit viel Leidenschaft, Zeit und Bescheidenheit beschritten wird. Im Vordergrund steht immer das Pferd!

2.)  Quelle und Basis von allem ist Vertrauen! Mit Vertrauen und guter Führung kommt der Gehorsam, die Leistungsbereitschaft und Trainingsfreude – auch ein Pferd möchte entsprechend seiner Fähigkeiten angesprochen und für das Arbeiten begeistert werden. Geht uns doch genau so, oder? Langeweile mürbt und stumpft ab. Es ist meine Aufgabe, für ein interessantes und abwechslungsreiches Programm zu sorgen, zumindest für einen Plan A – variieren kann man immer noch mit einem Plan B.

3.) Eine klare, eindeutige Kommunikation ist unabdingbar. Wie will man sich ohne das Verstehen auf eine gemeinsame Linie/Arbeitsweise einigen. Oder ist es möglich, ohne die entsprechenden notwendigen Sprachkenntnisse  und den Austausch von Grundschritten mit einem Spanier, Araber oder Bayern einen Walzer tanzen: Wann setzt man zur Musik ein, welche Drehung, welcher Schritt in welche Richtung, und die alles entscheidende Frage: Wer führt? Und dann ist die Basis Gefühl für Musik und Takt, Sensibilität für die Bewegung und die richtige Tanztechnik.

4.) Das Pferd ist so wie es ist. Es obliegt mir als Reiter, mich klar und deutlich verständlich zu machen, zu überprüfen, was angekommen ist. War dies verständlich genug und habe ich die Rahmenbedingungen geschaffen, die es dem Pferd ermöglichen, das Erfragte/Geforderte zu verstehen und es letztendlich umsetzen zu können. Ich muss mich als Reiter auch mal in Geduld üben.

5.)  Der Schlüssel einer leichten Arbeit ist die Nachgiebigkeit des Pferdeunterkiefers und die Fähigkeit des Reiters, dies zu erspüren: Nachgiebigkeit konsequent zu fordern und richtig zu sitzen. Hier kommt es auf eine feine Wahrnehmung und das richtige Timing an. Ein gutes Körpergefühl und eine feine, scharfe Sensibilität sind hier von Vorteil, um sich selbst auszubalancieren und den richtigen Sitzschwerpunkt auszumachen. Ich werde hier wahrscheinlich eher an meine Grenzen stoßen, als mein Pferd!

6.) Der Reiter sollte nie fordernd, mit zuviel falschem  Ehrgeiz und zu wenig Zeit an sein Pferd herantreten:  Er sollte mit dem Zufrieden sein, was das Pferd im Rahmen seiner Möglichkeiten – Disposition, Tagesform und Ausbildungs-/Entwicklungsstand – anbieten kann. Das sollte es gerne tun, oder sich gerne überzeugen lassen, dass es dies auch gut und gerne tun kann! Nicht jedes Pferd hat Weltklasse, aber jedes ist eine  Persönlichkeit!

Nicht mehr und nicht weniger, aber ich möchte auf keinen Fall weniger!

Oder etwas philosophischer mit anderen Worten: Wenn wir nie nach der Légèreté suchen, wie sollte es da möglich sein, dass wir sie fänden!

Ich wünsche allen Suchenden ein gutes Jahr 2009 und viel Spaß, Freude und Erfüllung in der Reiterei.

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Die Frage nach der reinen Kommunikation in der Reiterei –

zuhören – verstehen – erkennen – fühlen?

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Ein Fachmann hat mir vor ca. 3-4 Jahren einmal gesagt, dass Pferde knapp über 60 Stimmsignale unterscheiden können und ich war damals tief  beeindruckt.

Heute weiß ich inzwischen, wie kleinbürgerlich mein damaliges Pferdeverstehen diesbezüglich war. Warum? – weil Pferde unendlich viele Bilder, Gefühle und Stimmungen von Ihrer Umwelt und somit auch von uns, Ihren Besitzern und Vertrauenspartnern, wahrnehmen.

Und da frage ich mich, warum wir uns bei dieser Sprachvielfalt auf  knapp 60 Stimmsignale zurückziehen sollten, wenn der Austausch für ein gemeinsames Verständnis unendliche viele Möglichkeiten hergibt? Wer glaubt, dass diese Frage berechtigt ist, ist an dieser Stelle ermuntert, mit offenem Geist und Herzen weiter zu lesen. Alle Anderen können an dieser Stelle aufhören!

Habe ich doch zu Beginn meiner Reiterei schier Bücher über Reittechniken verschlungen – ich wollte verstehen und eine klare und anwenderfreundliche Bedienungsanleitung für den Umgang mit meinem Pferd: Wie funktioniert die Zügelführung bei einem Schulterherein, wie verlagere ich mein Gewicht bei der Umstellung ins Travers, welcher Huf fußt im Timing beim Übergang in den Galopp auf , wie nutze ich Zügel, Gerte und verlagere mein Gewicht…ich könnte noch eine Vielzahl von Fragen oder Beweisen meines Unverständnisses aufzählen, aber darum soll es an dieser Stelle nicht gehen. Ich bin absolut überzeugt, dass ein solides Basiswissen in der „Technik“ der Reiterei und im Umgang mit dem Pferd unabdingbar ist, schließlich arbeite ich hier mit Werkzeugen (Zügel, Zaum, Gerte, Sattel) im Rahmen der physikalischen Möglichkeiten (Anatomie des Pferdes& Reiter, Bewegung und Bewegungsabläufe) und dieses Wissen sollte ich als Reiter zweckmäßig, solide, flexibel und maßvoll, aber insbesondere auch verständlich für meinen Partner Pferd  einsetzen. Und da schließt sich der Kreis, denn es geht um das Verstehen, ums Zuhören,  Erkennen und Fühlen und da komme ich zur Frage: Stoße ich hier an meine Grenzen oder eröffnen sich mir schier unendlich viele Möglichkeiten in der Kommunikation mit meinem Pferd?

Sind Sie schon einmal mit einem „visualisierten Gefühl“ in sich der Freude auf  Ihr Pferd zugegangen und haben es zum Training eingeladen? Klingt abgehoben, ich weiß, aber ich zelebriere dieses Begrüßungsritual seit einiger Zeit und werde manchmal schon am Tor mit einem Wiehern begrüßt. Beim Putzen halte ich dann einfach mal den Mund, denke nicht schon an den Trainingsablauf, an Lektionen und Figuren, sondern lasse meinen Gedanken fern ab vom Pferd freien Lauf. Der Putzplatz soll eine Oase der Entspannung und Ruhe sein und in die Richtung werden auch hier kleine, feine Rituale kultiviert, z.B. Entspannungsübungen nach dem TTouch nach L.T. Jones. Manchmal summe ich auch einen Song, den ich aktuell gut finde oder der mein eigenes Stimmungsbild widerspiegelt.

Ich habe Folgendes verstanden: Er genießt dieses „Pflegeritual“, den Striegel findet er ziemlich doof, meinen Gesang manchmal auch, genießt dafür die Ruhe und Stille und liebt den  Fließhandschuh, mit dem ich großflächig vom Hals über den Rücken zur Kruppe streiche.                                   Seit ca. 4 Wochen steht Jamiro auch ohne Raufutterknabberei  – anfänglich ein Trick, um ihn am Putzplatz zum Stillstehen zu motivieren – entspannt, auch mit anderen, teilweise rumzappelnden Pferden. Das Prinzip: Mit einer einfachen, preiswerten Methoden, nämlich zuhören –  was gefällt ihm – und verstehen – wie sind seine Rahmenbedingungen für ein ruhiges, entspanntes Wellnessprogramm – gelingt es, eine entspannte Situation am Putzplatz zu schaffen.

Und wenn dieses Prinzip überall im gemeinsamen Umgang mit dem Pferd anwendbar ist, warum nicht auch dort, wo für mich als Reiter im Training der größtmögliche Gehorsam, die unantastbare Disziplin, oder mal anders das größtmögliche Verstehen gefordert ist, nämlich beim Training im Viereck, wo ich dem Partner Pferd die höchste Aufmerksamkeit abverlange.

Über die Freiarbeit und Dehnungsübungen stimme ich Jamiro auf das Training ein und Sorge für ein gezieltes Warm up aus Aufmerksamkeit  einfordern, Muskeln aufwärmen und (Rücken-) Bänder dehnen. Ich beobachte seine Tagesform – zuhören und erkennen – und nehme Signale war (Entspannung oder Aufregung, Unruhe oder Ablenkung)  – verstehen. Danach entscheidet sich der weitere Trainingsverlauf.

Wir haben am letzten Wochenende das erste Mal Doppellonge ausprobiert – für ihn ganz neu  – und mit uns waren noch weitere 4 Pferde auf dem Platz. Normalerweise eine unglückliche Konstellation für Jamiro im Training, weil er sich an der Spannung der anderen Pferde hochzieht und selbst verspannt wird. Mit viel Ruhe, Stimme und Modulation habe ich ihn mit auf die gemeinsame Reise des Doppellongentrainings genommen. Ich habe 4 Reiter und 4 Pferde ausgeblendet. Er hat sich mental bei mir eingeklinkt und wir haben ca. 30-40 min mit diversen Pausen konzentriert und  verständlich miteinander gearbeitet. Ich habe verstanden und gefühlt, was er braucht, was ihm hilft, zu verstehen: Nachgeben – Zügel gleiten lassen, Außen dranbleiben und ansagen, Innen lösen und klingeln, die Gerte maßvoll und zum richtigen Zeitpunkt als Impulsgeber einsetzen.

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Ein großes Kompliment an Susanne: Sie hat es verstanden, mich hierbei ganz gezielt und punktuell zu unterstützen und sich mit einzubringen, wenn es um die richtige Technik oder die Klärung von „Missverständnisse“ ging.

Zuhören, verstehen, erkennen und fühlen musste ich schon selbst. Zufrieden aber sichtlich erschöpft habe ich mir dieses Highlight in mein Erfahrungsrepertoire aufgenommen.

Im Zeitalter der Informationsüberflutung für uns Menschen die reinste Form der Kommunikation.

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August 2009 – Workshop am 01.08.2009 in Velbert

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Den diesjährigen Sommerworkshop erlebten wir bei andalusischen Wetterbedingungen: Feria in Velbert. Die Auswahl der Lokation hatte einen ganz sachlichen Hintergrund: Unabhängig davon, dass wir ein offener, unternehmungslustiger Arbeitskreis sind und die Austragungsorte immer mal wieder wechseln, hatte ich endlich die Möglichkeit, mit Jamiro teilzunehmen. Zum Einen wollte ich Jamiro in seinem Ausbildungsstand präsentieren, zum Anderen hieß es auch, sich den WS Bedingungen und dem bunten Treiben zu stellen. Beide Lektionen hat er mit Bravour gemeistert, und langsam beschleicht mich das Gefühl, es hier mit einem Showpferd zu tun zu haben: Er findet Publikum prima, und zeigt sich gern!

Die Doppellonge zu Beginn ließ ihm die Chance, sich relativ frei in dem von mir festgelegten Rahmen zu bewegen und sich mit der Situation vertraut zu machen. Unterm Sattel folgten dann Seitengänge (Trab-Traversalen), Ansätze von Lektionen in der Versammlung (Karree und Versammlung im Trab) und die mittlerweile in höchster Perfektion demonstrierten Pauseneinheiten (Kopf sinken, Ohren seitlich fallen lassen) zur Entspannung mit ganz viel Lob*!

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*Ich danke Dir, mein kleines, spanisches “Wildpferd“ für die gezeigte Leistung, Deine Bereitschaft mitzumachen und Dein Vertrauen, Dich darauf einzulassen! Ich bin stolz auf Dich, aber das habe ich Dir auch schon gesagt!!!

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...und die viel gerühmten Pauseneinheiten, damit die Muskeln wachsen können!

...und die viel gerühmten Pauseneinheiten, damit die Muskeln wachsen können!

Liebe Grüße

Ina

Neues aus 2010-Galopparbeit…keine große Sache

Vor gut einem Jahr habe ich das letzte Mal über unser Training und Entwicklungsschritte berichtet. Seit dem hat Jamiro einen enormen Entwicklungssprung gemacht und wieder Geister der Vergangheit bezwungen – mit viel Freude, Motivation und Unterstützung durch Susanne und mich. Und warme Worte helfen über manche psychologische Hürde oder mentale  Mauer, wie ich feststellen konnte.

Entgegen meiner sonstigen Natur, viel zu berichten und überschaubar zu präsentieren, möchte ich hier – und dies tue ich  bei 27 Grad am Abend und einem guten Rotwein auf der Terrasse nicht ganz uneigennützig- einmal Bilder für sich sprechen lassen. Zur Galopparbeit ein Wort: Galopp machte Jamiro bisher viel Freude, aber nicht mit einem Reiter im Sattel, denn dies bedeutete Stress pur: Anspannung wie eine Feder, wildes  bzw. unruhiges Maul, kein Vorwärts, sondern eine  Anspannung in der Bewegung mit Explosionspotential nach oben. Und mit oben meine ich hoch auf zwei Beinen. Diesem Gespenst haben wir uns gestellt: langsam, an guten Tagen mit vorsichtiger Nachfrage, wann was wie lange möglich ist…es hat sich gelohnt. Auch ich habe  an mir arbeiten müssen, und dies habe ich 7 Tage in Portugal unter guter Anleitung mit vielen verschiedenen Lehrmeistern ( den wunderbaren Lusitanos) getan: allesamt  in der traditionellen, klassisch portugiesischen Reitlehre gut und weit ausgebildet. Ich bekam jeden Tag zwei unterschiedliche Pferde, auf die ich mich zur Entwicklung der Galopparbeit immer wieder neu einstellen musste. Zuhause war Galopparbeit für mich so selbstverständlich wie Schritt am langen Zügel: also keine große Sache! Diese Sicherheit hat Jamiro wunderbar annehmen und mit mir umsetzen können.

Die Bildersequenz zeigt den Beginn des Galopptrainings mit einiger Anspannnung, demonstriert doch recht schön eine entspannte Entwicklung in der Bewegung.

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Kategorie: News